Definitionen von Resilienz in der Wirtschaftspolitik
Ursprünge und aktuelle Anwendungen
In den vergangenen Jahren hat der Begriff der ökonomischen Resilienz sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik erheblich an Bedeutung gewonnen. Krisen wie die COVID-19-Pandemie, die anhaltende ökologische Krise und der Krieg in der Ukraine haben die wirtschaftliche Resilienz in den Mittelpunkt der EU-Strategie gerückt und Resilienz zu einem zentralen Wegweiser der Wirtschaftspolitik gemacht.
Jedoch hat das Konzept der Resilienz hat seinen Ursprung außerhalb der Wirtschaftswissenschaften. Zunächst wurde der Begriff in den ökologischen Wissenschaften entwickelt, woraufhin er sich auf andere Bereiche wie die Ingenieurswissenschaften, Psychologie und zuletzt die Wirtschaftswissenschaften ausbreitete. Während dieses Übergangs hat sich die Definition von Resilienz mehrfach geändert. Aufgrund seiner vielfältigen Anwendungsbereiche und seiner häufigen Verwendung ist Resilienz zu einem Modewort ohne analytische Präzision geworden. Daher werden wir die Ursprünge des Begriffs der Resilienz nachzeichnen und seine Verwendung in verschiedenen akademischen Disziplinen evaluieren, um letztendlich seine Anwendung auf die Wirtschaftspolitik zu erörtern.
Die Literaturübersicht, die den ersten Teil dieses Policy Briefs bildet, identifiziert sechs universelle Aspekte der Resilienz: ‚Exposition und Sensibilität‘, ‚Erholung‘, ‚Flexibilität‘, ‚Kapazitäten‘, ‚Wellbeing‘ und ‚Nachhaltigkeit‘. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Analyse zeigen wir, wie die wirtschaftliche Resilienz den ‚beyond GDP‘-Diskurs erweitert, und unterstreichen ihr Potenzial als politisches Ziel, das die Komplexität der sich überschneidenden sozioökonomischen Herausforderungen widerspiegelt.
Darüber hinaus erörtern wir im zweiten Teil die Messung ökonomischer Resilienz, da geeignete Indikatoren erforderlich sind, um die Auswirkungen von Politikmaßnahmen zu überwachen und zu bewerten. Wir betrachten verschiedene Indikatoren des ‚beyond GDP‘-Ansatzes sowie die jüngsten politischen Entwicklungen in der EU, wie den 2020 Strategic Foresight Report, die Recovery and Resilience Facility und den REPowerEU-Plan. Die in diesem Abschnitt vorgenommene Bewertung geschieht durch die im ersten Teil dieses Policy Briefs entwickelte analytische Linse: Wir untersuchen die jeweiligen Definitionen von wirtschaftlicher Resilienz, um ihren Wert für das Mainstreaming wirtschaftlicher Resilienz in der EU-Politik zu analysieren.
Wir gelangen zu dem Schluss, dass politische Entscheidungsträger*innen die reichen akademischen Ursprünge und den vielschichtigen Charakter des Konzepts nutzen können, um sein volles Potenzial für die Wirtschaftspolitik auszuschöpfen. So sollte das wirtschaftliche Verständnis des Konzepts beispielsweise stets die positive Anpassungsfähigkeit einschließen, die das bouncing forward nach einer Krise erleichtert. Vor diesem Hintergrund identifizieren wir drei entscheidende Aspekte für eine umfassende Konzeptualisierung wirtschaftlicher Resilienz: Sie sollte 1) auf einem gemeinsamen Verständnis der Schlüsselfunktionen unserer Wirtschaft beruhen, die in Krisenzeiten aufrechterhalten werden müssen, 2) hinreichend präzise sein, um eine erfolgreiche Umsetzung in politische Maßnahmen zu ermöglichen, und gleichzeitig 3) ihrem multidimensionalen Charakter gerecht werden.